„Fernweh“ ist einer dieser Begriffe, die ich jetzt nicht unbedingt als erstes in meine hypothetischen Memoiren schreiben würde. Seit ich das letzte mal so richtig aus dem Land raus gekommen bin, ist tatsächlich schon eine ganze Weile vergangen.

Nach einer mäßig tiefgehenden Selbstreflektion bin ich zu der vielleicht besorgniserregenden Erkenntnis gekommen, dass mein Alltag wohl so erfüllt… oder überfüllt sein muss, dass ich gar nicht dazu komme, mich oft nach fernen Ländern zu sehnen.

Es ist zumindest ein wenig beruhigend – wenn auch wenig hilfreich – dass ich mich dabei in guter Gesellschaft befinde. Denn die meisten meiner potenziellen Reise-Buddies teilen entweder dieses Schicksal, sind ihrem Drang zur Fortpflanzung erlegen oder haben schlicht nie zur gleichen Zeit… ähm… Zeit.

Die Planeten müssen also in einer besonderen Konstellation gestanden haben, als sich letztes Jahr doch stolze sieben Suffköpfe zusammengefunden haben, um sich von den Tentakeln des Alltags zu befreien und in die weite Welt aufzubrechen… Richtung Schottland!

Und was soll ich sagen, wir haben es nicht bereut. Von zamgefurzten Hostel-Stockbetten über Zirkuszelte voller Ladyboys bis zu venezuelanischen Nussknackern und schrulligen Opas in Kriegs-Museen war alles dabei, was das Herz begehrt.

Persönlich sind bei mir aber zwei Sachen besonders hängen geblieben, die ich so bisher nur dort erlebt habe.

Zum einen die Pub-Kultur – die rein „flüssig kulinarisch“ schon mit unserem schönen Frankenland mithalten kann – in Sachen Offenheit und Vielfalt der Leute aber nochmal ne ganz andere Welt ist.

Da philosophiert der pornobalkentragende Millennial-Barkeeper mit dem 90-jährigen Urgestein während sich ein paar schottische Studenten mit südamerikanischen Touristen den Tisch teilen. Und das alles in einem urigen Seitengassen-Keller-Pub, der sich scheinbar keine Sorgen machen muss, dass von irgend einem hipsterigen Burger-Schuppen das junge Publikum abgezogen wird.

Und dann war da natürlich noch diese unglaubliche, teils surreale Landschaft.

Leider hat sie nur auf der gefühlt kurzen Fahrt von Edinburgh in die Highlands die Aufmerksamkeit bekommen, die sie eigentlich verdient hätte. Danke an der Stelle nochmal an die Pappnasen vom Autoverleih, die unsere Karre erst zwei Stunden später fertig hatten.

Und hier komm ich zu etwas, was ich dann doch ein bisschen bereue. Das gilt eigentlich für den ganzen Trip, aber vor allem für diese paar Panorama-Pinkel-Pausen in den Highlands, in denen ich aus irgend einem Grund einfach nicht zu meiner richtigen Kamera gegriffen hab.

Ich raff bis heute nicht genau was es war. Der Zeitdruck? Der potenziell nicht foto-erprobte Gedultsfaden meiner Mitreisenden? Die pure Überwältigung durch die Landschaft? Der noble Gedanke, das Ganze einfach mal durch die eigenen Augen auf sich wirken zu lassen? Nur um dann doch noch ein paar Schnappschüsse mit dem Handy zu machen – im schlimmsten Fall auch noch durch die Autoscheibe…?

Naja. Es ist, wie es ist. Ich will hier sicher nicht den sinnlosen Kampf zwischen Handys und großen Kameras befeuern. Auf der Rückfahrt hatte ich dann doch noch ein paar Gelegenheiten, und ich denke die Ergebnisse sprechen für sich.

Am Ende passt dieses leicht melancholische Fazit ja auch ganz gut zu den Bildern. Sicher hat es dazu beigetragen, dass dieser Blog erst so viel später rausgekommen ist. Genauso aber zu dem Beschluss, dass ich definitiv nochmal nach Schottland – und auch allgemein öfter in die Welt raus muss.

dermichael·net